Samstag, 28. Mai 2011

Papier ist geduldig (8): Berufsnörgler

Neulich stieß ich im Bücherladen auf den provokanten Titel "Kinderkacke". Der spontane Blick ins Buch ließ mich im Abschnitt "Sonntag mit Schrecken" (S. 147ff) landen und die Schilderung der Angst der Eltern vor dem Wochenende traf einen leidgeplaten Nerv.

Leider traf dann die vollständige Lektüre ein ganzes Bündel Nerven, weil die fortgesetzte Lektüre genau auf die selben ging. Ein Berliner Elternpaar, dass in den hedoistisch geprägten 1990er Jahre jung war (Gerhard Schulzes "Erlebnisgesellschaft" lässt grüßen) findet alles Familiäre doof, weil es keinen Spaß macht.

Jedem, der seine Kinder liebt, gehen die kleinen Monster auch irgendwann gewaltig auf den Keks und wer anders behauptet, der lügt. Das lässt sich auch sicher in einen lockeren Text verpacken. Was aber aus der lockeren Verpackung der "Kinderkacke" quillt, ist tatsächlich an vielen Stellen eine solche.

Die Idee als Mutter und Vater in verteilten Rollen aus der jeweiligen Perspektive zu schreiben hat einen gewissen Charme. Auch das aus dem Bayerischen bekannte chronische "Granteln" ist ein unterhaltsames, denn überhöhendes Stilelement. So was kann als Serie episodisch unterhaltsam sein, aber in einem Buch hintereinanderweg macht es eher schlechte Laune.

Frustriert die Welt anzugiften, wäscht sich aber recht schnell aus: Das Elterngeld ist Mist, die Arbeits- und Betreuungsmöglichkeiten sind Mist, Bahnfahren ist Mist, das Diktat der Modeindustrie ist Mist, Wohneigentum ist Mist und die eigenen Eltern nerven.

Die Liste klingt sehr pubertär und das immer die anderen oder die allgemeinen Bedingungen schuld an der Misere sind, wirkt ebenfalls so. Dabei hat der unzufriedende Papa eine Saisonkarte fürs Fußballstadion, geht morgens joggen und hängt abends mit Freunden in der Kneipe oder auf Parties ab und hat in seinem Arbeitszimmer ein kleines Tonstudio. Alles Dinge, von denen die meisten anderen Väter (und Mütter) nur träumen können - und trotzdem sind sie nicht so unzufrieden wie die Autoren.

Erst habe ich mich geärgert, dann taten sie mir leid. Erst wollte ich ihnen (virtuell) eine kleben, nun möchte ich sie nur noch drücken. Aber es gibt ja auch einiges gut Gemeintes im an so vielen Stellen weniger gut Gemachten. So schreibt Thomas über die Rolle der neuen Väter: "Wir sind gerade erst im Mittelalter der Vaterschaft angekommen. Auf Renaissance und Aufklärung warten wir noch vergeblich." (S. 174) Das ist ein starke Metapher, aber irgendwie bringe ich mehr Verständnis für die Schilderungen von Julia auf. Auch hier mangelt es nicht an guten Sequenzen: "Das Leben mit Kind gleicht einem mafiösen System von Erpressungen un Bestechungen." (S. 127) Richtig gelungen ist jedenfalls das Fazit der gemeisamen Schreibarbeit: "[E]s gibt eine Sache, die viel blöder ist, als Kinder zu haben, und das ist: keine Kinder zu haben." (S. 218)

Ein Projekt, das so polarisierend wirkt, dass ich mich richtig lang und breit dazu ausslasse, kann dann gar nicht verkehrt gewesen sein - zumindest hat es ja Wirkung erzeugt.


Idee:



Umsetzung:



Mehrwert:




Dienstag, 24. Mai 2011

Alltag (51): Partzipienreiter

Die Partizipbildung im Deutschen ist gar nicht so leicht und manchmal auch nicht ganz logisch. Bei Kindern im beginnenden Kindergartenalter sorgt für die schönsten Stilblüten. Uns gefiel schon seit längerer Zeit die Wortbildung "gebest", die sich von Besen ableitet und meint eigentlich "gefegt". Im vollständigem Satz: "Hast Du schon die Krümel unter dem Tisch weggebest?"

Ein neuerliches Highlight ist "geschleift" als Ableitung von "eine Schleife gebunden". Im vollständigem Satz: "Papa, hast Du schon gesehen wie schön die Kindergärtnerin das Herz an Mamas Muttertagsgeschenk geschleift hat?"

Wir freuen uns auf Fortsetzungen.

Dienstag, 17. Mai 2011

Basteln (8): 'ne Schubkarre für Mama

Kindergärten sind eine tolle Sache. Musste ich im vergangenen Jahr die Muttertagsbastelei mit noch selber ausdenken, betreuen und anleiten, übernimmt der Kindergarten auch in diesem Bereich die Lebensführung. Fast acht Wochen vor dem Muttertag werden die Väter mit den Kindern samstags zum Muttertagsbasteln in die Einrichtung eingeladen.

Da wir unseren Kindergarten nur mit dem Auto erreichen können, kommt meine Frau mit, setzt sich aber brav zu Starbuck's ab, weil ja alles vor den Mamas geheimgehalten werden muss.
Es sind fast alle Väter brav eingerückt - viele von Ihnen habe ich noch nie gesehen. Die Erzieherinnen sagen, worum es geht: Die Kinder sollen eine kleine hölzerne Schubkarre anmalen und die Väter sie dabei beaufsichtigen bzw. unterstüzten. Dann werden die Karren im Kiga getrocknet, von den Erzieherinnen lackiert. Anschliessend füllen die Kinder Blumenerde ein und bepflanzen diese mit Kressessprossen, die sie gezogen haben.

Abb. B 8.1: Selbstbemalte Schubkarren lassen Mütterherzen höher schlagen

Es ist wirklich ganz unterhaltsam - insbesondere deswegen, weil einige Väter bemüht sind, ihren Kindern ein Farbkonzept zu vermitteln oder sie zu überzeugen Flächen wenigstens einfarbig anzumalen. Klappt natürlich alles nicht! Der Pinsel taucht in alle Farbschälchen und die meisten Schubkarren leuchten in den allerschönsten Mischfarben. Alles geht aber überraschend stressfrei und locker über die Bühne und nach einer guten Stunde sind alle Schubkarren bemalt und der erste Schwung Väter und Kinder muss raus, denn gleich kommen die Väter und Kinder der anderen Kindergartengruppen.

Kurz vor Muttertag sollen die Eltern Plastiktüten mitbringen, in denen den Kindern die Baselarbeit blickdicht mitgeben wird. Meine Frau hat sich brav am Muttertag gefreut. Dass es an dem Tag dennoch Stress gab, lag nicht an der kleinen hölzernen Schubkarre mit Kresse.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Alltag (50): Geplante Vatertage

Nun steht auch bei Nummer 2 das Thema Elternzeit und Vatermonate wieder an. Nachdem ich beim Großen neun Monate in Teilzeit gearbeitet hatte, um wenigstens anderthalb Tage pro Woche mit dem kleinen Mann verbringen zu können, planen wir diesmal neben zwei Vatermonaten noch weitere vier Monate Teilzeit nach vergleichbaren Muster.

Auf dem Spielplatz, während sich die Kinder mit Sand bewerfen, stelle ich einer befreundeten Familie die Pläne vor. Ich sage: "An dem Tag, wo ich ganz zuhause bin, geht der Kleine dann auch nicht zur Tagesmutter." Darauf die fast entsetzte Reaktion der anderen Mutter: "Warum das denn? Bring ihn doch hin und nutzt den Tag für Dich: Mach Sport, ruh Dich aus oder les ein Buch..."

Hier spricht die erfahrene Mutter zweier Kleinkinder. Überrascht war ich trotzdem: Ich hatte nicht Lob und Bewunderung erwartet - aber eine so ernüchternde Reaktion unterstreicht nur, wie anstrengend die lieben Kleinen den lieben langen Tag so sein können.